Ziemlich genau einen Monat nach seinem Olympiasieg habe ich ein Interview mit Oliver Zeidler führen können, in dem er von seinen Erwartungen, Emotionen, Plänen spricht und auch auf Fanfragen eingeht. Viel Spaß beim Lesen!
KT: Hallo Olli, vor ziemlich genau einem Monat bist du Olympiasieger im Einer geworden. Erzähl, hat sich dein Leben seitdem geändert oder was hat sich verändert?
OZ: Es ist ein unglaubliches Gefühl, den Olympiasieg erreicht zu haben. Natürlich hat sich mein Leben seitdem verändert – auf der einen Seite ist da der Stolz und die Erfüllung, mein größtes sportliches Ziel erreicht zu haben, auf der anderen Seite merke ich, dass die Erwartungen an mich noch höher geworden sind. Doch der größte Wandel ist wohl in mir selbst passiert. Die intensive Vorbereitung, die vielen Opfer und die mentale Stärke, die ich entwickeln musste, haben mir gezeigt, dass wirklich alles möglich ist, wenn man bereit ist, bis ans Äußerste zu gehen. Gleichzeitig versuche ich, die Zeit nach dem Sieg bewusst zu genießen und mich nicht zu sehr in den nächsten Herausforderungen zu verlieren.
KT: Mit dem Olympiasieg hast du neben deinen drei Weltmeistertiteln alles erreicht, was sportlich geht! Wie möchtest du deinen Weg fortsetzen? Gibt es etwas, was du unbedingt noch erreichen willst? Bleibst du im Einer oder hast du auch Lust, mal in einem Mannschaftsboot zu fahren? Machst du erstmal eine Auszeit oder greifst du im nächsten Jahr wieder voll an?
OZ: Der Olympiasieg war sicherlich ein Meilenstein, aber wer mich kennt, weiß, dass ich noch lange nicht satt bin. Ich habe noch viele Ideen und Ziele im Kopf und will mich noch mehr in den Geschichtsbüchern verewigen. Ich will weiterhin das Maximum aus mir herausholen und neue Grenzen ausloten, herausfinden wie schnell ich ein Boot bewegen kann. Eine Auszeit werde ich mir schon gönnen, um Körper und Geist zu regenerieren, aber die nächste Saison wird nicht lange auf sich warten lassen. Mein Hunger nach Erfolg ist immer noch da.
KT: Was bedeutet der Olympiasieg emotional für dich, vielleicht auch in Bezug auf deine Erfahrungen in Tokio?
OZ: Der Olympiasieg in Paris ist eine Art Vollendung für mich. Die Enttäuschung von Tokio, als es nicht so lief wie erhofft, hat mich tief getroffen und lange beschäftigt. Es war ein bitterer Moment, aber zugleich auch einer, der mir die nötige Motivation gegeben hat, alles auf den Sieg in Paris zu setzen. Emotional ist der Olympiasieg eine Art Befreiung und eine Bestätigung dafür, dass sich die harte Arbeit und der unerschütterliche Glaube an mich selbst auszahlen. Ich habe gelernt, wie wichtig es ist, Rückschläge zu akzeptieren und als Antrieb zu nutzen.
KT: In diesen Tagen liest und hört man viel vom After Olympic Blues. Hast du dieses Gefühl der Leere auch oder genießt du die Auszeit?
OZ: Der After Olympic Blues ist ein Phänomen, das viele Athleten trifft, und ja, ich kann nachvollziehen, woher dieses Gefühl kommt. Wenn man jahrelang auf ein Ziel hinarbeitet und es dann erreicht, stellt sich unweigerlich die Frage: Was jetzt? Bei mir passiert gerade so viel, dass ich mich ganz und gar nicht leer fühle. Ich versuche bewusst, das Interesse an mir, nach dem Sieg, zu genießen und nicht sofort in die nächste Herausforderung zu stürzen. Es ist wichtig, sich diese Zeit zu nehmen, um die Erfahrungen zu reflektieren und neue Energie zu tanken.
KT: Du warst vor deiner Ruderkarriere erfolgreicher Schwimmer. Wieso bist du gewechselt und was liebst du am Rudern?
OZ: Das Schwimmen war ein großer Teil meines Lebens, aber irgendwann habe ich gemerkt, dass ich eine neue Herausforderung brauche. Insbesondere nachdem sich meine Trainingsgruppe aufgelöst hat. Rudern hat mich vom ersten Moment an fasziniert, weil es nicht nur eine körperliche, sondern auch eine mentale Herausforderung ist. Es ist ein Sport, der totale Hingabe erfordert, und das liebe ich daran. Die Kombination aus Technik, Kraft und Ausdauer ist einzigartig, und das Gefühl, über das Wasser zu gleiten, ist einfach unvergleichlich. Außerdem gibt es im Rudern immer neue Ziele und Herausforderungen, die mich antreiben.
KT: Seit dem letzten olympischen Zyklus bist du Wahl-Frankfurter – zumindest was deinen Verein angeht. Wir freuen uns sehr, dich als Mitglied zu haben. Was gefällt dir an der Germania?
OZ: Die Frankfurter Rudergesellschaft Germania ist mehr als nur ein Verein für mich. Es ist ein Ort, an dem ich mich sofort wohlgefühlt habe. Die Gemeinschaft und die Unterstützung, die ich hier erlebe, sind einzigartig. Man spürt die Tradition und den Stolz, der mit diesem Verein verbunden ist, und es ist eine Ehre, Teil dieser Geschichte zu sein. Es ist ein Umfeld, das inspiriert und motiviert, und ich bin dankbar, ein Teil davon zu sein und meinen Beitrag zu leisten.
KT: Wir haben auf Instagram einige Fragen zu deiner Person erhalten. Hier folgt eine Auswahl:
Wieviel trainierst du pro Woche?
OZ: Mein Trainingsplan ist ziemlich intensiv. In der Regel komme ich auf etwa 20 bis 25 Stunden pro Woche, je nachdem, in welcher Phase der Saison ich mich befinde. Das Training besteht aus einer Mischung von Wasser-, Kraft- und Ausdauereinheiten, die genau aufeinander abgestimmt sind. Hinzu kommen Gymnastikeinheiten, Physiotherapie und Mentaltraining. Es erfordert viel Disziplin und Planung, aber das ist genau das, was ich liebe – sich jeden Tag herauszufordern und zu sehen, wie man besser wird.
Wie erreicht man einen so guten Ergowert?
OZ: Ein guter Ergowert ist das Ergebnis harter Arbeit und kontinuierlichem Training. Allerdings habe ich auch Glück, dass ich die perfekte Physis für diese Art von Sport mitbringe. Es geht nicht nur darum, viele Kilometer auf dem Ergometer zu machen, sondern auch darum, an der Technik zu feilen und die richtige Mischung aus Kraft und Ausdauer zu finden. Ich achte sehr darauf, dass ich alle Aspekte meines Trainings abdecke – sei es die Technik, die Atmung oder die mentale Einstellung. Außerdem ist die Regeneration genauso wichtig wie das Training selbst, um kontinuierlich Fortschritte zu machen.
Welchen Stellenwert hat deine Familie bzw. welchen Anteil an deinem Erfolg hat sie?
OZ: Meine Familie hat einen enormen Stellenwert in meinem Leben und spielt eine entscheidende Rolle in meinem Erfolg. Ohne ihre Unterstützung, ihren Rückhalt und ihre Geduld wäre ich nicht dort, wo ich heute bin. Sie haben immer an mich geglaubt, auch in den Momenten, in denen ich selbst gezweifelt habe. Ihre Unterstützung gibt mir die nötige Ruhe und Stärke, mich voll und ganz auf meinen Sport zu konzentrieren. Dafür bin ich unglaublich dankbar
KT: Vielen Dank für das Interview und einen tollen Urlaub in den USA!