7.12.2021

Stolperstein-Verlegung zum Gedenken an Familie Dreher

In einer kleinen, stimmungsvollen Zeremonie mit Gästen von der Initiative Stolpersteine Frankfurt am Main e.V. und der FRG Germania wurden am Nikolaustag drei Gedenksteine für das Germania-Ehrenmitglied Albert Anton Dreher, seine Frau Minnie und seinen Sohn Anton Gustav verlegt. Alle drei wurden von den Nationalsozialisten vertrieben, verschleppt und 1943 ermordet. Der Kölner Künstler Gunter Demnig, auf dessen Initiative die Stolpersteine zurückgehen, bettete die 10 cm x 10 cm x 10 cm großen Quader mit den auf einer Messingplatte eingravierten Namen, Geburts- und Todesdaten der Opfer vor dem Haus in der Arndtstr. 33 ein, dem letzten Wohnhaus der Drehers vor ihrer Vertreibung. Das Erinnern sei wichtig, sagte Germania-Vorstand Hans Reinke, gerade auch für junge Sportler. Die FRG Germania hatte die Stolpersteine für die Familie Dreher initiiert und finanziert.

Kirsten Schwarzkopff, die sich seit zwei Jahren im Auftrag des Germania-Vorstands mit der Geschichte der Germania im Dritten Reich und dem Schicksal jüdischer Mitglieder in der Nazi-Zeit beschäftigt, skizzierte die Lebensläufe der Drehers.

Demnach trat Albert Anton Dreher im Jahr 1880 im Alter von 17 Jahren in die Germania ein, da war der Verein gerade elf Jahre alt. Zum 25-jährigen Jubiläum des Vereins 1894 wurde er Schriftführer des Finanzausschusses, 1901 als Mitglied des Vorstandes Kassenwart, 1906 Klubhausverwalter, 1928 Mitglied des Ältestenrats und im Mai 1929 Ehrenmitglied.

Das Amt des Kassenwarts passte zu Albert Anton Dreher, denn er war Bankier. 1913 heiratete er die 27 Jahre jüngere Minnie Loewenstein. Sie wurde ebenfalls Germania-Mitglied. Am 2. September 1914 wurde der nach Albert Anton Drehers älterem Bruder benannte Sohn Anton Gustav geboren. Damit wurde Albert Anton Dreher, der sich als Vorstandsmitglied besonders für die Belange der Jugendlichen eingesetzt hatte, erst mit 51 Jahren selbst Vater. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 begann das Unglück der jüdischen Familie. Wegen der Wirtschaftskrise traten die Drehers möglicherweise bereits vor 1933 aus der Germania aus. Das Bankhaus „Dreher und Uhry“ wurde von den Nazis 1935 liquidiert. Laut Gestapo flüchtete die Familie am 12. März 1936 nach Amsterdam. Anfang 1938 wurde ihr die deutsche Staatsangehörigkeit aberkannt. Von 1937 bis 1941 war die Familie im Flatgebäude Willemspark, Zeestraat 73, in s´Gravenhage registriert; das Gebäude wurde im September 1942 von der deutschen Sicherheitspolizei samt dem Mobiliar der jüdischen Bewohner beschlagnahmt.

Im Dezember 1942 wurde das Ehepaar Dreher verhaftet und in das Durchgangslager Westerbork gebracht. Minnie Dreher starb in Westerbork und wurde am 12. Januar 1943 im 40 Kilometer entfernten Assen auf dem Jewish War Graves Twijfelveld beigesetzt. Albert Anton Dreher wurde am 23. Januar 1943 aus Westerbork in das KZ Auschwitz deportiert, wo sein Transport am 26. Januar 1943 ankam. Er wurde wahrscheinlich unmittelbar nach der Ankunft in Auschwitz ermordet. Gustav Anton Dreher heiratete am 3. Februar 1942 in Doorn die nicht-jüdische Holländerin Hanna Hendrika Rijghard. Seine letzte Adresse war Doorn, Rykstraatsweg 6. Er soll von Februar bis September 1943 im Untersuchungsgefängnis Berlin-Moabit und den Wittenauer Heilstätten in Berlin inhaftiert gewesen sein und wurde mit dem „43. Transport“ aus Berlin nach Auschwitz deportiert. Er starb offenbar während der Deportation.

Martin Dill von der Initiative Stolpersteine Frankfurt am Main e.V. dankte Kirsten Schwartzkopff für die umfangreichen Recherchen. Die Initiative ließ an diesem Tag noch 18 weitere Gedenksteine in Frankfurt verlegen.

Künstler Demnig rief das Kunst- und Gedenkprojekt 1996 ins Leben. Inzwischen sind die Stolpersteine zum weltweit größten dezentralen Mahnmal geworden. Mehr als 90.000 Stolpersteine in 26 Ländern wurden verlegt. In Frankfurt erinnern bisher mehr als 1.700 Stolperstein-Mahnmale an Verfolgte des NS-Regimes: an Juden, Sinti und Roma, politisch Verfolgte, Zeugen Jehovas, Homosexuelle und Zwangsarbeiter, an als „asozial“ gebrandmarkte Menschen und an die Opfer der sogenannten „Euthanasie“-Morde an Kranken und Behinderten.

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Sabine Wollrab

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